Die Tüte wartete schon lange auf meine Aufmerksamkeit. Zwar war sie selbst nicht groß - eine kleine weiße Tragetasche aus einer bulgarischen Bücherei -, aber die schmutzige Wäsche ragte schon nach oben hinaus und ähnelte einer mini Cheops-Pyramide. Ich ging in die Ecke, wo sie stand, und hob sie auf. Gut, dass es keinen Gestank gab, sonst wäre ich bestimmt in Ohnmacht gefallen. Die winzige Tüte mit dem blauen "Knisharnitsi Pingwinite"-Logo drauf, konnte offensichtlich die etwa 20 Paare Socken und zehn Slips nicht mehr aufnehmen, was man auch an ihrer ungewöhnlichen Form erkennen konnte.
Die Zeit war gekommen.
Bis dann konnte ich einmal die Hilfsbereitschaft meiner Freunde in der Stadt in Anspruch nehmen und meine schmutzigen Klamotten in ihrer Waschmaschine waschen. Aber ich wusste, es wäre meinerseits zu frech gewesen, sie nochmal um dasselbe zu bitten. Zumal ich den berühmten "Wasch Salon" ja irgendwann einfach besuchen musste.
Ich packte meinen Rucksack aus, um für die Wäsche Raum zu schaffen. Dann nahm ich eine wesentlich größere Galeria-Kaufhof Tasche und trieb alles hinein. Dazu kamen noch ein T-Shirt, Shorts, sowie ein Sportanzug. Also hatte ich einen Rucksack voller schmutziger Kleider, die schnellstmöglich zum Waschsalon gebracht werden mussten.
Ich war auf einer Mission.
Der Waschsalon war nicht so weit entfernt - etwa 5-10 Minuten zu Fuß, aber bei meinem schnellen Gang war die Strecke also noch nicht zu unterschätzen. Ich begab mich auf den Weg...
Als ich den Mietvertrag für meine Wohnung, einen 15qm großen Schachtel ohne Waschmaschine, abschloss, wurde mir gesagt, dass das Waschen in den öffentlichen Salons zu teuer wäre. Und zwar - 3 Euro. "Ähm, es geht noch", dachte ich mir, obwohl etwas bekümmert. Wie groß war meine Überraschung, als ich im "Wasch Salon" an der Wand das Preisschild sah! Waschen 7 kg - 4,50 Euro. Die Angabe war auf einem gelben Aufkleber zu sehen, der ersichtlich zusätzlich aufs Schild geklebt worden war, denn unten konnte man immer noch eine Fünf erkennen. Also - Sonderpreis! Wie verzweifelt ich in diesem Augenblick war, so war ich doppelt verzweifelt, als ich mir erst dann bewusst wurde, dass ich weiße und farbige Kleider getrennt waschen musste. Schöne Bescherung - 9 Euro.
Da mich ein baldiger Sockenmangel bedrohte, nahm ich die kritische Entscheidung, nur Weißes zu waschen, denn fast alle meiner Socken waren in dieser Farbe. Damit "gewann" ich noch vier Slips, die ja nicht genau weiß waren, aber ich ging das Risiko ein.
Ich war ganz allein in dem Waschsalon und die erschreckend zahlreichen aber trotzdem benutzerfreundlichen Bedienungsanleitungsaushänge waren meine einzige Hilfe in dieser fremden Welt. Waschen? Schleudern? Trocknen? Wie bitte?
Ich steckte die weißen Sachen in Nummer 7 hinein und schloss endlich die Tür. Ein Chinese war inzwischen hereingekommen und kämpfte seinerseits mit einem der Trockner. "Muss man das Waschpulver auch für die Hauptwäsche noch am Anfang schütten?", fragte ich ihn misstrauisch. "Weiß nicht, Telefon benutzen.", antwortete er, auf das Service-Telefon in der Ecke hinweisend. "Was soll's? Ist es nicht teuer genug, sodass ich jetzt auch noch Geld für Telefongespräche ausgebe?", dachte ich mir und ging zurück zu der Waschmaschine (Das Waschpulver kostete übrigens noch 50 Cent).
Start.
Alles schien reibungslos zu verlaufen und nach einiger Zeit gab ich es auf, ständig durch das kleine Fenster der Maschine zu schauen. "Haben Sie eine Waschmaschine zu Hause oder waschen Sie irgendwo anders?", fragte ich meinen Waschkommilitonen, der nur zum Trocknen gekommen war. "Zu Hause. Aber ist defekt, kann nur waschen, aber…", "..aber nicht trocknen", beendete ich seinen Satz. "Ja, nicht trocknen", grinste er und setzte sich hin. Ich nahm einen Jack Wolfskin-Katalog, der unter den vielen blödsinnigen Zeitschriften, die in dem Waschsalon zur Unterhaltung gelassen waren, als das einzige tatsächlich „Lesenswerte“ erschien. Ab und zu guckte ich auf die Waschmaschine – ob alles in Ordnung war – dann blätterte ich ruhig weiter.
Nach einiger Zeit war die Maschine schon fertig. Ich hatte keine Ahnung, wie lange es gedauert hatte, aber ganz langweilig war es mir nicht geworden. Es konnte auch daran liegen, dass ich mich zum ersten Mal an so einem Ort befand und alles als neu, also im Prinzip interessant, empfand. Die Instruktionen folgend, öffnete ich vorsichtig die Tür der Waschmaschine und nahm alles heraus – eins nach dem anderen, damit nichts vergessen blieb. Dann packte ich wieder voll und ging mit schon knurrendem Magen aber in guter Stimmung nach Hause zurück...
..um nur festzustellen, dass ein Paar Socken in meiner Garderobe nicht mehr vollständig vertreten war. Zwar waren das einfache Asics-Sommersocken bis an die Knöchel, die ja sowieso zu der Jahreszeit nicht passten, aber die hatten doch ein besseres Ende verdient, als von einem geldfressenden Uralt-Ungetüm getrennt zu werden.
Ich besitze die Fähigkeit, in kritischen Situationen, meinen Körper unter absolut unmenschliche Prüfungen stellen zu können. Gar nicht in diesem Sinne ist aber die Tatsache zu verstehen, dass ich, voller Panik und mit einem immer stärker knurrenden Magen, total unvorsichtig zwei Baguettes in den vorgeheizten Ofen steckte, wobei ich mir den rechten Zeigefinger verbrannte. Am Anfang spürte ich keinen Schmerz, nur die Haut sah etwas schlecht aus. Doch, als ich einige Sekunden später schon über die Straßen – draußen regnete es – wie verrückt lief, begann es allmählich wehzutun. Der Regen reizte die Wunde zusätzlich und als ich endlich vor der Nummer 7 im Waschsalon stand, konnte ich nur mit meiner linken Hand nach der Socke suchen. Sie war am oberen Teil des Waschtrommels geklemmt – deshalb hatte ich sie bei dem Wiederpacken nicht bemerkt. Ich nahm sie entspannt und machte mich auf die Socken.
Vom anstrengenden Sprint kurz davor war ich so müde, dass ich diesmal einfach nur ruhig nach Hause wollte. Und so ging es auch, zumindest bis ich meine Straße erreichte, denn erst dann erinnerte ich mich daran, dass die Baguettes schon wesentlich länger als die vorgeschriebenen 12-15 Minuten im Ofen geblieben waren.
Blitzschnell packte ich alles, was mir so an Kräften übrig geblieben war – nämlich nichts –, und beeilte mich zur Wohnung. Mit dem Öffnen der Tür geriet ich in einen finsteren Raum lauter Rauch, wo ich nur schwer den Ofen fand und abschaltete.
Unterm Strich: fünf Euro armer, mit einem verbrannten Finger, nass und völlig erschöpft, etwa Glut und Kohle zum Abendessen habend, saß ich in meinem engen rauchigen Zimmer und dachte an Schmetterlinge. Im Bauch.
*für eventuelle sprachliche Fehler ist Herr Dörr verantwortlich
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